Corona-Tagebuch:
29. März 2020

Zwick mich mal einer.“ Immer wieder, unvermittelt, überkommt mich dieses das-ist-doch-alles-nur-ein-schlechter-Traum-Gefühl. Das war doch erst neulich, dass wir uns über die Thüringen-Wahl aufgeregt haben, über die AfD und den Zustand der etablierten Parteien. Dass wir den Geburtstag unserer Enkel-Zwillinge gefeiert haben, schon ein wenig besorgt, aber noch fröhlich. Dass ich dachte, dass es bald Zeit ist, die Sommerreifen aufziehen zu lassen. 

Heute, am 29. März, kann ich an einer Hand abzählen, wie oft wir in den vergangenen drei Wochen die Wohnung verlassen haben. Und für die nächsten drei Wochen – mindestens – wird sich daran auch nichts ändern. „Zwick mich mal einer.“

Vorgestern haben wir uns Eis bestellt, bei unserer Lieblings-Eisdielerin. Eines der vielen Geschäfte gleich um die Ecke, die ums Überleben kämpfen müssen. Nicht, dass leckeres Eis jetzt überlebenswichtig wäre. (Hier würden ein paar Worte zum Thema Klopapier passen, aber die verkneife ich mir.) Es fühlte sich einfach naheliegend an.

Solidarität mit Einzelhandel und Gastronomie in unserer Nachbarschaft: Der Gedanke ist uns vertraut. Neu ist die Dringlichkeit, die vor wenigen Wochen noch unvorstellbar gewesen wäre. Ob Lebensmittel, Lesestoff, eine nette Kleinigkeit oder ein Gutschein für bessere Zeiten: Jeder Einkauf in der Nachbarschaft hilft unserem Veedel durch die Krise. Manche Dinge sind ganz einfach, auch in schwierigen Zeiten.

Als Fred uns gestern das Eis lieferte, auf seiner Auslieferungsrunde mit dem Lastenrad, fühlte sich das „kontaktlos“ ganz furchtbar falsch an. Wir wollen doch zusammenhalten, uns gegenseitig Mut machen. Ein Handschlag, ein Danke, ein paar nette Worte. Stattdessen ist Distanz gefordert.

Der Verstand sagt, dass Distanz jetzt das einzig Wahre ist. Schwer fällt es trotzdem.

Wie gut, dass uns die Krise auch schöne Momente beschert. Die verschiedenen Ausdrücke des Dankes an diejenigen, die jetzt die Stellung halten: in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen, bei Polizei, Feuerwehr und Müllabfuhr, in den Supermärkten, bei der Post, und, und, und. Da ist die handfeste Unterstützung durch Hilfsdienste, teils aus dem Stand ins Leben gerufen wie zum Beispiel das Hilfstelefon des BüZE, teils etabliert und bewährt wie die Kölner Tafeln, die ihre Arbeit jetzt Schritt für Schritt wieder aufnehmen.

Und da sind die spontanen Aktionen wie das kleine Konzert unserer Nachbarn Hildegard und Stefan gestern Abend auf der Terrasse. Gemeinschaft trotz Isolation.

Auf dass wir gestärkt aus dieser Bewährungsprobe hervorgehen.

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