Drachen, Buddhas – und zwei Gläschen Wasser

Die Venloer zwischen Körner und Pius. 4711-Gebäude und Haus Scholzen, Nagelstudio und Barbershop, Kebap und Currywurst: Hier schlägt das Herz von Ehrenfeld. Und hier, seit fast 30 Jahren, ist das Hua Lin. Mittags, wenn es schnell gehen soll, Anlaufstelle für Kreative, Geschäftsleute und Handwerker. Abends, wenn die roten Lampions leuchten, kommt mit den Familien Gemütlichkeit. Es duftet exotisch, es brutzelt über offener Flamme. Mehr als ein Imbiss, nicht ganz Restaurant, kein Fastfood und erst recht keine Kette: Was Lokale angeht, ist das Hua Lin eine kleine Persönlichkeit. Das heisst es war – aber die Geschichte ist trotzdem erzählenswert.

Lin ist ein durchaus gängiger chinesischer Familienname. Aber Hua ist kein Vorname, sondern bedeutet hier soviel wie ‘aus China stammend’. Willkommen also bei den aus China stammenden Lins. Mutter Ounekeo ist – ja was, Besitzerin, Chefin? Eher Seele des Ladens, zierlich, von undefinierbarem Alter, mit hellwachen, fröhlichen Augen. Die mehr gesehen haben, als mancher sich träumen mag.

Das Flüchtlingslager in Thailand stand unter deutscher Führung – nur deshalb führte der Weg 1980 nach Köln.

Mit den Eltern aus China geflohen, in Laos eine neue Existenz aufgebaut. Auch dort zunehmende politische Instabilität, Enteignung, der Onkel inhaftiert. Erneut Flucht, nach Thailand. Das Flüchtlingslager dort stand unter deutscher Führung, nur deshalb führte der Weg schließlich 1980 nach Köln – Geschwister aus dem französisch geleiteten Nachbarlager verschlug es nach Paris. Sohn Soumephone, kurz Sou, war damals vier Monate, seine Zwillingsschwestern vier Jahre alt. In Köln wieder Flüchtlingslager, an der Etzelstraße im Kölner Norden. Fünf mal 30 DM Startgeld, Sprachkurse. Schließlich Arbeit bei Siemens, Arbeit als Näherin, und endlich dann Umzug nach Bickendorf. In eine richtige Wohnung.

Die Chance zur Rückkehr in die Selbstständigkeit kam 1990. Ein kleiner Asia-Imbiss auf der Venloer, dort, wo jetzt das Defne ist, konnte übernommen werden. Ohne nennenswertes Startkapital, dafür mit Mut, reichlich Geduld und vor allem Durchhaltevermögen. Sou, damals 10, erinnert sich: “Das war eine ziemlich harte Zeit. Einfaches, aber gutes und gesundes Essen für 5-6 DM. Familien und Studenten wussten es zu schätzen.”

Seit fast 30 Jahren im Herzen von Ehrenfeld: Ounekeo Lin und “ihr” Restaurant.

Und daran hat sich bis vor kurzem nur wenig geändert. Dass die Schwestern in Thailand und Australien kochen lernten und die Speisekarte eine eigene, chinesisch-thailändische Handschrift bekam. Dass das Hua Lin nach zehn Jahren in Ehrenfeld umziehen konnte auf die gegenüberliegende Straßenseite, dorthin, wo früher eine Apotheke war. Sou lächelt: “Das war eher ein Zufall. Der Hauseigentümer war Stammgast.” Kochzeile, Theke, Tische und Stühle, insgesamt mehr als 100qm: Ein kleines Paradies.

Die Familie hat das Auf und Ab des Veedels beobachtet und begleitet. Auf Damen- und Herrenausstatter, die Pullover für 350 DM verkauften, folgten 1-Euro-Läden und Spielhallen. Die U-Bahn kam und mit ihr viele Bauarbeiter. Agenturen und Kreative entdeckten für sich den Charme der Ehrenfelder Fabrikhallen und Nebenstraßen, Cafés eröffneten und kleine Restaurants. Das Veedel brummt. Im 4711-Haus nebenan entsteht ein Hotel. Und die Mieten steigen.

Kochen im Hau Lin
Immer auf der Suche nach dem optimalen Geschmack: Sohn Sou und Mutter Ounekeo

Währenddessen ist sich das Hua Lin selbst treu geblieben. Gesundes Essen, frische Zutaten aus guten Quellen, erschwingliche Preise: Das kommt auch bei kleinen und großen Events in der Messestadt Köln gut an. Keine Geschmacksverstärker, kein Glutamat, stattdessen knackiges Gemüse, ein wenig Kartoffelstärke für die Konsistenz, fein aufeinander abgestimmte Gewürze und Thailändischer Duftreis.

“Wenn man jeden Tag kocht, dann experimentiert man unweigerlich, um den optimalen Geschmack zu treffen,” meint Sou. Für ihn gehören auf jeden Fall Ingwer, Chili und Knoblauch dazu – und ein wenig Zitrone. Mit Fleisch, oder vegetarisch. Für die Curry-Saucen ist Vater Bounpheng zuständig. “Pikant – mittelscharf – deutsch-scharf oder thai-scharf?”

In der Theke dieses kleinen Restaurants stehen, neben Drachenfiguren und kleinen Buddhas, zwei Gläschen, randvoll mit frischem Wasser. Darauf legt der Vater wert, denn das bringt Glück. Mutter Ounekeo ist da mehr praktisch veranlagt. Stellt sich kerzengerade hin und wippt auf den Zehenspitzen. “Jeden Morgen fünf Minuten,” lacht sie. “Hält Herz jung.”

Ihre Gäste verabschiedet sie mit “Schönen Tag noch.”

Und man weiß: Das meint sie auch so.


Nachtrag November 2019

Das Hua Lin - seit November 2019 aus Altersgründen geschlossen.
Schade. Alles Gute. Und einen schönen Tag auch Ihnen.
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