Silke Z. und des Menschen Sehnsucht nach Körperlichkeit

Wo Körper sprechen, sind Berührungsängste verständlich. Geschichten ganz ohne Worte verlangen dem Publikum Aufmerksamkeit ab und die Bereitschaft, sich auf diese älteste aller Kommunikationsebenen einzulassen. Gelegentliches Rätselraten, was das Geschehen da vorne auf der Bühne wohl bedeuten mag, ist da nicht ganz ausgeschlossen. Aber das kennen Klassikfreunde auch: Wer Mozart liebt, kann Stockhausen durchaus als Herausforderung empfinden.

Performance: Reise in unbekanntes Terrain

Kommt hinzu: Als Opern- oder Theaterbesucher können wir uns vorab über den Handlungsrahmen informieren. Ob H-Moll Messe oder Macbeth, wir wissen in groben Zügen, was uns erwartet. Und das ist irgendwie ganz beruhigend. Das Publikum einer Tanz-Performance hingegen weiß, dass es sich auf unbekanntes Terrain begibt. Mehr noch als im Theater findet hier das Wesentliche nicht auf der Bühne, sondern zwischen Akteur und Betrachter statt. Das fordert.

Und dann ist da diese Körperlichkeit. Sie kann erotisch sein oder auch nicht, ist gleichzeitig seltsam vertraut und fremd, ungewohnt oft und in der Regel intensiv. Kein Zweifel: Die Welt des modernen Tanzes ist eine abenteuerliche.

… und dann war es plötzlich totenstill

Silke Z. sieht Tanz und Performance als Chance für einen Pakt mit dem Publikum
Sieht in jeder Performance eine Chance für einen Pakt mit dem Publikum: Silke Z.

Eine, die darüber einiges erzählen kann, ist Silke Z. Von ihrer Arbeit mit Schülern zum Beispiel, preisgekrönt, über das Miteinander Umgehen. Die Szene, in der ein Mädchen ganz allein auf der Bühne steht, als „Opfer“, und das anfängliche Gekicher und Geraune im Publikum immer leiser wird. Bis es totenstill ist. In einem Saal mit 300 jungen Zuschauern. Ganz ohne Worte.

Sie weiß um die Macht der Bewegungsmuster, kennt das Vokabular der Gesten und Posen, die alle Menschen instinktiv verstehen – egal welche Sprache sie sprechen, ob alt oder jung, arm oder reich. Und kennt diese merkwürdige Ambivalenz zwischen der Vertrautheit aus allerfrühester Kindheit einerseits und erfolgreicher Sozialisation, die verstärkt oder verdrängt, verfärbt oder politisch korrekt umdeutet.

Die Sehnsucht nach Körperlichkeit bahnt sich unweigerlich ihren Weg

Aber sie ist überzeugt: Die Sehnsucht nach Körperlichkeit bahnt sich unweigerlich ihren Weg – sei es beim all-night-clubbing, in einschlägigen Game- und Realityshows im Fernsehen oder aktuell wieder beim Schunkeln in festlich geschmückten Sälen und Kneipen.

Dass Tanz und Bewegung in der Bildungspolitik zunehmend als wertvoll erkannt werden – in Schulen, Pflegeheimen, an sozialen Brennpunkten – findet Silke Z. richtig und gut. Besonders fasziniert sie der Grenzen überschreitende Charakter der Körper-Sprache: Intergenerativ, interkulturell, interdisziplinär, inklusiv sind ihr wichtige Aspekte, im Alltag gelebt und in den Produktionen thematisiert.

Inklusiv – das Gegenteil von exklusiv

Spätestens beim Begriff ‚inklusiv’ springt die Schublade im Kopf von alleine auf: also irgend etwas mit Behinderten oder so. Nein, gemeint ist das Gegenteil von ‚exklusiv’. Nicht Performer hier und Publikum da, sondern die Chance, einen Pakt zwischen allen Anwesenden herbeizuführen.

Keine weichgespülte Story, hübsch verpackt und verkauft. Sondern authentische Momente, live, archaisch, authentisch. Das hat sie nicht nur als Choreografin immer gereizt, sondern ist zum Forschungsprojekt im Rahmen ihrer Doktorarbeit geworden: Was ist dieses Ding „Präsenz“, das einen Raum mit Menschen zu einer emotionalen Einheit werden lässt?

Spannende Frage.

Wie vermitteln wir körperlich Mitgefühl oder Abgrenzung?

Komfortzone als Performance-Thema: Zwei Performer in den Ehrenfeldstudios
Komfortzone: Dennis Alexander Schmitz (l.) und John Kendall werden sie verlassen.

In den ehrenfeldstudios in der Wissmannstraße in Köln Ehrenfeld geht sie mit ihrer Kompanie Silke Z. resistdance und dem Ensemble Die Metabolisten derartigen Fragen nach. Themenschwerpunkt der nächsten drei Jahre: Der empathische Körper. Einfach ausgedrückt: Wie vermitteln wir mit unserer Körpersprache Mitgefühl oder Abgrenzung? Nicht theoretisch diskutiert, sondern umgesetzt als Tanzperformance. Nicht abstrakt, als athletisch-sportliche Darbietung, sondern immer inhaltlich motiviert, im Kontext realer Menschen und aktueller gesellschaftlicher Strömungen wie Social Media, Konsumwahn oder unserem Bedürfnis nach immer mehr Sicherheit. Meist aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet – und weitgehend frei von der Erwartungshaltung eines Massenpublikums inszeniert.

Nicht theoretisch diskutieren – konkret erleben

Mitte November und Anfang Dezember bieten sich zwei Gelegenheiten, zu erleben, was diese eher theoretischen Gedanken in der Realität der ‚ehrenfeldstudios’ bedeuten:

Comfort Zone: Bewusst mit Gewohntem brechen

In der Tanzperformance Comfort Zone erkunden John Kendall (Newcastle, UK) und Dennis Alexander Schmitz (Köln), was geschieht, wenn wir unsere Komfortzone bewusst verlassen. „Die Struktur der Performance ist klar definiert, und das Publikum wird das auch erkennen,“ erläutert Dennis. „Aber wie wir als Akteure gelernte Strukturen aufbrechen, wird sich in jeder Performance neu und einzigartig darstellen.“ 
John ergänzt: „Im Kern geht es darum, eine unlösbare Aufgabe zu lösen. Dazu müssen wir Erlerntes bewusst verlernen und mit Gewohntem brechen. In kleinen, nachvollziehbaren Schritten.“
Eine Tanzperformance, unterstützt duch ausdrucksstarke Licht- und Ton-Choreografie.

Donnerstag, 14. November 2019, 20 Uhr (Premiere)
Freitag, 15. November 2019, 20 Uhr
KKT – Kölner Künstler Theater
Grüner Weg 5 / Melatengürtel
Köln Ehrenfeld
€16 (€12 ermäßigt)        
KVV: 0221 846 395 80 / management@resistdance.de

Die Anderen: Was ist Nähe, und wieviel davon brauchen wir?

Mit den Anderen befasst sich die aktuelle Produktion des Ensembles ‚Die Metabolisten’: Empathie bedingt Nähe – aber bedeutet Nähe auch gleich Empathie? Wie viel Nähe brauchen wir, und in welcher Form? Ist die digitale Vernetzung eine Hilfe, oder suggeriert sie stattdessen eine Schein-Nähe, verbunden mit Distanzlosigkeit und der Illusion einer Pseudo-Gleichheit? 
Die Ankündigung verspricht: In ihrer Auseinandersetzung mit den Phänomenen Nähe und Distanz geraten die Tänzer und Schauspieler unterschiedlicher Generationen in eine eskalierende körperliche, verbale und emotionale Achterbahnfahrt.

Freitag, 5. Dezember 2019, 20 Uhr (Premiere)
Samstag, 6. Dezember 2019, 20 Uhr
Ehrenfeldstudios
Wissmannstraße 38
Köln Ehrenfeld
€8 – €15 (sliding scale)   
KVV:  0221 846 395 80 / karten@ehrenfeldstudios.de


ehrenfeldstudios e.V.
Wissmannstrasse 38
50823 Köln Ehrenfeld
Homepage: ehrenfeldstudios.de
Telefon: 0221 – 846 395 80
Email: buero@ehrenfeldstudios.de

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