„Ehrenfeld“ – da schwingt so einiges mit. Bodenständigkeit, aber auch Aufbruchstimmung. Kreatives Chaos, aber auch Werterhaltung. Lebensfreude satt, aber auch ein Hauch von Melancholie. Ehrenfeld ist ur-kölsch und multikulti, zugleich alt und jung, laut und still, hässlich und schön. Ein lebendiges Etwas mit Ecken und Kanten, gestern noch – seufz – ganz anders, und morgen – wer weiß.
Der Ehrenfelder Arzt Peter Rosenthal hat gemeinsam mit 29 weiteren Autoren eine Kollage dieses Veedel gezeichnet – in mehr als 30 sehr persönlichen Essays, Momentaufnahmen und Fotostrecken. „Venedig ist auch nicht viel größer als Ehrenfeld“ hält, was der Titel verspricht – für Freunde kluger Gedanken ein Gewinn, für Ehrenfeld-Fans ein Muss.
„Interessant eigentlich“ sagen wir uns, wenn sich hinter dem Alltäglichen das Besondere auftut, wenn wir das scheinbar Selbstverständliche hinterfragen und auf neue Einsichten stoßen. Wo sind eigentlich die ganzen Kinos hin? Ist das Kunst oder einfach nur Schmiererei? Gentrifizierung: das Ende oder ein Anfang – und wenn ja, von was? Und wieso wurde ein Bunker zugleich Erinnerungsort und Bühne für kulturellen Diskurs?
Die Autoren nähern sich ihrem jeweiligen Thema auf erfrischend individuelle Weise, mal sachlich, mal polemisch, mal spöttisch, aber immer mit Herzblut. Wenig wird als unumstößliche Wahrheit präsentiert, nichts als „must-see“ angepriesen oder als Untergang des Abendlands bejammert. Stattdessen viel Nachdenklichkeit, genährt wohl durch die Überzeugung, dass jede Betrachtung eines sozialen Biotops nur eine Momentaufnahme sein kann und der Reiz in der Veränderung liegt. Auch wenn es um so solide Themen geht wie die Moschee oder den Karneval.
Das 224-Seiten-Buch ist als Einstimmung auf ein Kennenlernen bestens geeignet, aber auch als Ermunterung, etwas genauer hinzuschauen. Oder einfach so zum Blättern, wegen der Fotos, der Gedichte, der kleinen Querschläger. Wie diesem hier ganz am Schluss:
Ich habe die Schnauze so voll von dem ganzen Schmutz, Lärm, Müll. Schmierereien, Gedrängel, Gebettel, tatütata, überfahrene Radfahrer und Schulkinder, Ratten, Kakerlaken und Gejammer, dass ich so schnell es geht aus dem „tollen“ Ehrenfeld abhauen werde. Meine Fresse – was für ein Scheiß – dann ist endlich Ruhe und Platz gemacht für noch mehr so selbstverliebte Spinner, Multikultis, Burka-, Turban- und Sandalenträger, Glatzen, Punx und am aller fiesesten: megatolerante Jasager.
schrieb Kachina am 25. Oktober 2011 auf stadtmaennchen.de
Das Buch „Venedig ist auch nicht viel größer als Ehrenfeld“, herausgegeben von Peter Rosenthal, ist 2017 im Verlag der Buchhandlung Walter König, Köln, erschienen und kostet €24,80. Es liegt in manchen Geschäften im Viertel aus, ist in den Filialen der Buchhandlung König und natürlich auch über Amazon zu haben.